Interview mit Emre Can
Wie sieht eigentlich Emre Can, als ein Spieler, dem man in den letzten Wochen keinesfalls mangelnde Einstellung vorwerfen kann, die aktuelle sportliche Entwicklung und den Trainerwechsel? Wie wichtig ist ihm der Kontakt zu den Fans und welche Erfahrungen hat er diesbezüglich bereits gemacht? Wie ist die Stimmung in der Mannschaft und was ist in Leverkusen anders als in München? Diese und viele weitere Fragen beantwortete er der “Nordkurve12 AktUL”-Redaktion beim Gastspiel im Stadioneck12. Das komplette Interview nun hier.
Emre, in den vergangenen Wochen und Monaten lief es sportlich alles andere als gut. Vor zwei Wochen musste dann Sami Hyypiä dran glauben. Wie hat die Mannschaft den Trainerwechsel aufgenommen?
Insgesamt positiv, finde ich. Viele kennen den neuen Trainer Sascha Lewandowski bereits aus der vergangenen Saison. Wir hätten Sami Hyypiä als Trainer gerne behalten, weil wir super mit ihm zurechtgekommen sind, aber die Entscheidung trifft der Vorstand. So ist es leider im Fußball, wenn die Ergebnisse nicht stimmen.
Fühlt ihr euch in einer Mitverantwortung?
Natürlich stehen auch wir in der Verantwortung. Wir haben die letzten Spiele nicht gewonnen und nicht gut gespielt und deshalb wurde er sicherlich auch wegen uns beurlaubt. Wenn das anders gelaufen wäre, wäre der Trainer vermutlich immer noch hier. Er ist nicht der Alleinschuldige, am Ende aber leider das Opfer.
Was waren deiner Meinung nach die größten Probleme in den vergangenen Wochen?
Wenn wir die kennen würden, dann stünden wir jetzt nicht da, wo wir stehen. Wir müssen zielstrebiger nach vorne spielen, wir müssen aggressiver und aktiver sein und eine bessere Ordnung an den Tag legen. Das hat uns auch Sascha Lewandowski so mitgegeben. Wir haben jetzt ein etwas anderes Spielsystem und müssen schauen, wie es weitergeht.
Seit dem Spiel in Hamburg gab es dann auch einige Missstimmungen zwischen Fans und Mannschaft. Du warst damals einer der wenigen, der nach dem Spiel zum Gästeblock gekommen ist. Sollte das nicht für jeden Spieler selbstverständlich sein?
Es gibt nach solchen Spielen immer Fans, die aufgebracht sind, die dann rufen, dass wir weggehen sollen. Manche Spieler nehmen das dann eben wortwörtlich. Es gibt aber auch Spieler, die mit den Fans reden wollen. Ich finde, das sind wir euch schuldig. Ihr kommt den weiten Weg angereist um uns zu unterstützen, da stehen wir meiner Meinung nach in eurer Schuld und haben dann auch mal zu euch zu kommen und mit euch zu reden. Das gehört dazu.
Klingt, als wären die Fans dir wichtig.
Ohne die Fans im Rücken Fußball zu spielen, macht keinen Spaß. Ich denke auch, dass Leverkusen ohne seine Anhänger heute nicht da stünde, wo es steht. Wir versuchen natürlich auch unser Bestes zu geben und ich hoffe, dass wir jetzt die letzten Wochen der Saison gemeinsam den Erfolg finden.
Merkt man es als Spieler auf dem Platz, wenn die Fans laut werden? Wirkt sich das auf dein Spiel aus?
Unterschiedlich. Auf dem Platz entwickelt man in gewissen Situationen einen Tunnelblick, aber es gibt schon Momente, in denen man merkt, dass die Fans da sind. Wenn sie laut werden oder auch wenn es nicht so gut läuft und sie pfeifen. Die kompletten 90 Minuten nimmt man das nicht wahr, aber wenn die Fans einen gegen Ende nochmal nach vorne peitschen, bringt das einen weiteren Motivationsschub und man entwickelt mehr Selbstvertrauen.
Hattest du schon einmal Kontakt zu Fans von Bayer 04 oder speziell auch zu den Ultras?
Nein, dieses Interview ist das erste Mal. Ich finde es aber schön. Ich kenne mich leider noch nicht so gut mit den Leverkusener Fans aus, da ich ziemlich neu hier bin und mich in erster Linie darauf konzentrieren muss, dass ich fußballerisch in Leverkusen Fuß fasse. Aber das ist mir bis jetzt ja zum Glück sehr gut geglückt und ich denke, dass ich mich dann auch mit den Dingen drum herum beschäftigen kann.
In den letzten Wochen hast du dich in der allgemeinen Krise als junger Spieler zu einem Leistungsträger entwickelt. Was sind die zentralen Säulen deines Spiels?
Die Siegermentalität. Früher auf dem Bolzplatz musste der Verlierer bei uns immer etwas ausgeben. Dann hasst man es zu verlieren und das habe ich verinnerlicht. Ich denke nicht darüber nach, ob ich einem Ball hinterherlaufen soll oder nicht – ich mache es einfach, weil ich mich für die Mannschaft einsetzen will. Es gibt natürlich auch so Momente, in denen es mal nicht so gut läuft und dann macht man auch mal extra ein Foul, um etwas Ruhe ins Spiel zu bringen. Ich weiß aber auch, dass ich etwas ruhiger werden muss. Ich habe diese Saison schon neun gelbe Karten gesammelt. Daran muss ich arbeiten.
Kommt diese Siegermentalität auch daher, dass du bei den Bayern ausgebildet worden bist?
Ja. Bayern München ist ein Weltklub und da zählen schon in der Jugend nur Siege. Du musst gewinnen und das gibt der Verein einem von Beginn an so mit: Selbstbewusst auftreten, das Spiel selbst in die Hand nehmen.
Denkst du, dass diese Mentalität hier in Leverkusen fehlt?
Gut möglich, dass das so ist. Aber sie ist wichtig. Wenn man ängstlich spielt, erreicht man nichts. Im Endeffekt ist Fußball nur ein Spiel, es geht ja nicht um Leben und Tod. Aber man muss da schon rein gehen und sagen: „Wir gewinnen dieses Spiel jetzt!“. Das muss auf dem Platz dann heißen: Dran bleiben, jeden Ball fordern.
Die Bayern haben vertraglich die Möglichkeit, dich zurückzuholen. Hast du regelmäßig Kontakt nach München?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe mit keinem Trainer oder Verantwortlichen dort Kontakt. Ich bin jetzt in Leverkusen, gehöre zu Leverkusen und gebe hier Gas. Was dann in drei, vier Jahren passiert, kann ich nicht sagen.
Von außen bekommt man nur wenig davon mit, was die Spieler so außerhalb des Platzes unternehmen. Du bist einer der ganz jungen Spieler im Team. Bist du deshalb automatisch auch mehr mit den jüngeren Kollegen unterwegs?
Wir gehen recht häufig mit großen Teilen der Mannschaft gemeinsam essen. Engeren Kontakt habe ich zu Ömer Toprak und Eren Derdiyok, weil wir relativ nah beieinander wohnen. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass wir alle türkische Eltern haben. Wir verstehen uns jedenfalls gut.
Unser Alltag sieht so aus, dass wir nach dem Training nachhause fahren, um uns auszuruhen oder dass wir mal in die Stadt fahren. Wenn wir mal ein paar Tage frei haben, gehen wir auch mal feiern. Schließlich sind wir noch jung und das gehört auch irgendwo zum Leben dazu.
Abschließend: Nach der Hinrunde schien die Qualifikation für die Champions League noch eine klare Sache zu werden, jetzt ist es wieder sehr eng. Was lässt dich an das Erreichen der Champions League glauben?
Dass wir keine Lust darauf haben, in der Euro League bei irgendeiner Mannschaft ohne Zuschauer zu spielen. Deshalb werden wir jetzt alles daran setzen, dieses Ziel Champions League zu erreichen. Und dabei hoffen wir natürlich auch auf eure Unterstützung.