Im Zuge unseres Jubiläums haben wir langjährige Wegbegleiter und Mitstreiter um Gastbeiträge gebeten.
Den Anfang dieser Serie macht mit Ulli unser Gründungsvorsitzender, welcher 9 Jahre lang die Geschicke der Nordkurve12 geleitet hat.
Danke für Deine Worte und natürlich für die Zeit von 2008 bis 2017, Ulli!
Samstag nachmittag. Eigentlich sollte ich jetzt am Stadioneck sein oder in der Bayarena. An einem der Orte, die mein Leben prägen. Insbesondere bei ersterem hätte ich das nie für möglich gehalten, was mir das einmal bedeuten würde.
12 Jahre ist es jetzt her, dass ich zur Gründungsversammlung der NK12 gegangen bin. Die Faninitiative SVB hatte sich aufgelöst, aber das durfte nicht das Ende sein fand ich.
Eine Fanvertretung, komplett unabhängig vom Verein, war einfach wichtig. Das drohte es in Leverkusen nicht mehr zu geben.
Also bin ich in die alte Kneipe der Lev-Szene marschiert.
Vorher darum gebeten worden, ob ich als Bankkaufmann mich nicht um die Finanzen kümmern wollte.
Naja, 80 Mitglieder, das werde ich mit der Kasse schon wuppen dachte ich mir. Dann waren es 112 am ersten Abend. Und ich verließ die erste Mitgliederversammlung zwei Monate später nicht als Kassierer, sondern als erster Vorsitzender, als Gründungsvorsitzender, der ich dann 9 Jahre lang geblieben bin.
Weiß der Henker, wie es dazu gekommen ist, daran erinnere ich mich tatsächlich nicht mehr.
Diese 9 Jahre aber haben mein Leben geprägt und verändert. Alles in allem blicke ich fröhlich darauf zurück.
Natürlich gibt es in 9 Jahren auch Momente, an die Du ungerne zurückdenkst.
Seien es Auseinandersetzungen untereinander oder mit Behörden, Diskussionen mit dem Verein oder der Polizei. Seien es sportliche Gründe, seien es Dinge, die nach dem Spiel am Stadioneck in der Anfangszeit passiert sind.
Seien es Einbrüche in selbiges, Vandalismus, sei es Beschiss und Diebstahl aus der eigenen Fanszene, seien es die unseligen Vorkommnisse auf der Auswärtsfahrt nach Paris.
In solchen Momenten zweifelt man, ob das, was man da tut, wirklich das ist, was man möchte. Aber auch das gehört dazu und ich denke, wir haben gemeinsam diese Situationen alle gemeistert.
Wenn ich die 9 Jahre reflektiere, dann überwiegen die schönen Erfahrungen bei weitem. Schon ein Jahr nach Gründung hatten wir unsere erste herausfordernde Situation, in der wir aber auch genau das getan haben, für das wir angetreten sind. Das Kartendesaster rund um das Pokalfinale hat unglaublich viele Kräfte mobilisiert und Fans viel enger zusammen rücken lassen, als das vorstellbar war.
Auch wenn das Finale verloren ging (danke an Bruno L., ich kann ihn bis heute nicht mehr ertragen), so haben wir als Fanszene da einen beeindruckenden Auftritt hingelegt.
Eine rote Kurve, wie ich sie vorher praktisch nicht gesehen hatte, die Geburtstunde von Finally Red, die mir noch heute Gänsehaut verursacht.
Ähnlich ein Jahr später am letzten Spieltag in Mönchengladbach. Finally Red ist heute fester Bestandteil der NK12 und die Schlangen, die sich weit vor dem Verkaufsbeginn der Shirts gebildet haben, werde ich wohl nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Für die Entwicklung und die heutige Situation der NK12 wohl Schlüsselmomente.
Ein weiterer, wenn nicht gar der Schlüsselmoment war die Übernahme des Stadionecks von Ossi. Unser Vereinsheim. Unsere Heimat. Ein Ort, der bis heute DIE Anlaufstelle für die aktive Fanszene in Leverkusen ist. Ein Ort, der so unglaublich viele Geschichten erzählen kann und Erlebnisse speichert, vor dem Tresen und dahinter. Viel Überzeugungsarbeit war nötig (auch bei mir, ich war am Anfang sehr sehr skeptisch, ob wir das wohl stemmen können). Viel Schweiß war nötig, um den Laden zu eröffnen, viel Schweiß ist seither in den Laden geflossen, viel Bier fließt durch die Leitungen und bis heute haben wir es geschafft, den Laden in ehrenamtlicher Arbeit zu betreiben und zu tragen.
Niemals hat (außer dem ein oder anderen Handwerker, wo es nicht anders ging) jemand Geld für das, was er am Stadioneck tut, bekommen. Alles, was da getan wurde und noch heute wird, ist ehrenamtlich erfolgt. Viele Gesichter haben die NK12 und hat das Stadioneck kommen und gehen sehen. Menschen werden älter, ziehen um oder haben schlicht andere Prioritäten.
Aber es gibt auch Gesichter, die siehst Du auf fast jedem Bild und auch das ist einfach schön. Auch wenn es gerade für diese Gesichter wohl schön wäre, wenn noch mehr Leute regelmäßig mit anpacken würden. Viel Arbeit bleibt dann leider doch an den immer wieder gleichen Gesichtern hängen, im Stadioneck wie auch der NK12 als Gesamtkonstrukt engagieren sich zu wenig Leute.
Das ist eine Konstante, auf die die NK12 wohl gut verzichten könnte. Das Stadioneck selbst hingegen ist unverzichtbar.
Was hat hier nicht alles stattgefunden, fette Partys auch an Nichtspieltagen, gemeinsames Gucken von Auswärtsspielen und wo nötig natürlich auch von Heimspielen. Nie vergessen werde ich zum Beispiel den Jubel im Eck bei unserem Sieg in München nach dem verunglückten Kopfball von Sidney Sam, eine Wahnsinnsstimmung, die jedem Stadion zur Ehre gereicht hätte. Karneval war das Eck seit eh und je ein fester Anlaufpunkt im Leverkusener Gastronomiebetrieb, Reggae-Partys, Live-Konzerte, Buchlesungen, Fußballkomiker, ehemalige Spieler, Fanvorträge, was haben wir nicht alles im Eck veranstaltet in den 12 Jahren. Bis heute wohl die meisten Köpfe haben sich bei den Abenden mit Rüdiger Vollborn und Calli die Nasen an den Fensterscheiben platt gedrückt, zwei Abende mit Gänsehautfeeling, die es aber mehr als einmal im Eck gab, Werner Hansch, Uli Borowka und Heinz Höher zähle ich zu meinen persönlichen Highlights. Und es folgen immer wieder weitere Highlights.
Das Stadioneck ist weit mehr als nur die Kneipe, in der man sich am Spieltag trifft. Das Heimatgefühl, was es vielen Fans gibt, kann man so genau gar nicht beschreiben.
Genauso schwer fällt es zu beschreiben, was die NK12 eigentlich ausmacht und so hat wachsen lassen, dass sie heute über 2.000 Mitglieder zählt.
Wer das 2008 vorher gesagt hätte, den hätten wir einweisen lassen.
Sicherlich haben unsere Bustouren dazu beigetragen, die es seit Angebinn gab.
Noch viel mehr aber all jene Touren und Ereignisse, die nicht nur Transport waren, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl untereinander gestärkt haben.
Schließlich hat die NK12 nicht nur Busse auf die Bahn gebracht, sondern auch Sonderzüge auf die Schiene, Schiffe aufs Wasser und Flieger in den Himmel. Die Rückfahrt aus Düsseldorf 2013 ist lange lange her und dennoch gucke ich mir immer wieder gerne Videos von dieser Tour an. Mehr als einmal hatte ich Gänsehaut-Erlebnisse.
Auch die Party zu 25 Jahren Bayer & OFC auf dem Drauberg gehört dazu. Das komplette Orgateam 24 Stunden auf den Beinen, eine unfassbar geile Party vor den Toren Leverkusens war das als Belohnung.
Vielleicht waren es neben den Gänsehaut-Erlebnissen aber auch die Momente, in denen sich die NK12 für Faninteressen eingesetzt hat.
Sei es über öffentliche Stellungnahmen, den direkten Draht zum Verein oder zur Politik oder schlicht in manchmal mühsamer, aber doch so wichtiger Gremienarbeit wie früher dem Fanbeirat und heute im Kurvenrat oder auch den Fankongressen, für die und bei denen wir uns engagiert haben.
Ich glaube aber, viel wichtiger war und ist bei der NK12 aber in all den Jahren gewesen, dass die NK12 eben ganz bewusst eine Organisation ist, die allen aktiven Fans ein Dach und eine Stimme geben will, die immer darauf bedacht war, keine spezielle Klientelpolitik zu betreiben, sondern alle zu vertreten, die auch viel mehr ist als nur ein Reiseveranstalter.
Ultras, Vielfahrer, alte und junge Fans, Kutten und Trikotsammler, einfach jeden, der irgendwie dazu beitragen will, dass Bayer04 eine große aktive Schar an Unterstützern hat.
In allen 12 Jahren hat es ganz bewusst immer mindestens je 1 Nichtultra und 1 Ultra als Vorstand gegeben, um das ganze auch nach außen zu signalisieren.
2017 gab es dann die große Zerreißprobe, die wir als Fans aber in einer irren Manier gemeistert haben. Da hat sich etwas bestätigt, was ich in all den Jahren vorher über unsere Fanszene gelernt habe.
Wenn wir miteinander reden, dann ist es gar nicht so schlimm, wenn wir auch mal verschiedene Meinungen haben. Es gilt aber, dass wir eben miteinander und nicht übereinander reden. Und es gilt, dass wir respektvoll miteinander umgehen.
Die Leverkusener Fanszene ist klein. Das mag für manche ein Nachteil sein, für viele ein Anlass, sich über uns lächerlich zu machen.
Diese Leute haben keine Ahnung von der Leverkusener Fanszene.
Sie ist klein, aber stark.
Wenn wir an einem Strang ziehen, gemeinsam, dann können wir so vieles erreichen, dann können wir schwere Situationen durchstehen und auch großes Erreichen.
Auch wenn es natürlich nicht Kernzweck der NK12 ist, aber wer hätte geglaubt, dass wir als NK12 5.000 Leverkusener auf die Straße bringen, um gegen die Öffnung der Giftmülldeponie zu demonstrieren? Auch so etwas geht nur, wenn man bei allen Unterschieden gemeinsam an einem Strang zieht, auch wenn es letztlich nicht zum Erfolg geführt hat.
Umso erfolgreicher aber war die letzte Aktion, die ich als Vorsitzender der NK12 erlebt habe. Das Spalier auf der Bismarckstraße beim Heimspiel gegen den FC im Jahr 2017. Momente, die wohl jeder der gut 6.000 Fans, die dabei waren, sein Leben lang nicht mehr vergessen wird. Momente, die die Stimmung angeheizt haben vor dem Spiel, die die Mannschaft motiviert haben, die die Mannschaft nicht haben aufstecken lassen, auch nach einem 0:2 nicht und die am Ende dazu geführt haben, dass wir die Klasse gehalten haben, obwohl wir lange darum zittern mussten.
Ich wünsche mir, dass wir so eine Stimmung viel öfter erzeugen. Vor dem Pokalfinale dieses Jahr haben wir ähnliches wieder erlebt. Es geht, es ist möglich, aber es braucht den totalen Willen dazu. Auf dem Platz, im Verein, aber auch auf den Rängen.
Mein Wunsch für die NK12 ist, dass mindestens die nächsten 12 Jahre so erfolgreich werden wie die ersten. Mein Wunsch an uns alle ist, dass wir es schaffen, mit positiver Energie endlich wieder einen Titel nach Leverkusen zu holen.
Lasst uns bei aller Unterschiedlichkeit niemals den Respekt voreinander verlieren.
Lasst uns bei aller Unzufriedenheit mit dem ein oder anderen Auftritt nie wieder einen eigenen Spieler so auspfeifen, wie wir das mit Kai Havertz letzte Saison gemacht haben. Lasst uns nicht gegen etwas sein, lasst uns für etwas sein. Für ein gemeinsames Ziel. Und das kann und muss in Leverkusen ein Titel sein.
Danke an all jene, die die Gründung der NK12 damals unterstützt haben, die uns nie als Konkurrenz gesehen, sondern als weiteren Baustein der bunten Leverkusener Fanlandschaft gesehen haben. Danke an all jene, die der NK12 in 12 Jahren die Treue gehalten haben, danke an all jene, die mit angepackt haben. In der Organisation, in der Fankiste, am Stadioneck, vor und hinter den Kulissen.
Danke an alle Mitglieder des Orgateams, die ich in meinen 9 Jahren miterlebt habe, egal, wie lange Ihr dabei wart.
Danke an meine Mitvorstände für so manche Auseinandersetzung, aber auch viel Support und immerwährenden Respekt im Umgang. Es war mir eine Freude, mit Euch für die Fanszene aktiv zu sein, ohne Euch alle wären diese 12 Jahre für die NK12, wären diese 9 Jahre für mich so nicht möglich gewesen.
Und danke an all die Mitglieder der NK12, die es waren, sind und hoffentlich bleiben: ohne Euch macht das alles keinen Sinn. Bleibt dem Bayer treu, bleibt der NK12 treu – und wenn Ihr könnt, packt doch einfach mal mit an, es lohnt sich!
Euer Ulli