700 friedliche Demoteilnehmer aus allen Teilen der Fanszene und ein beinahe komplett leerer Block in den ersten 12 Minuten des Spiels gegen Nürnberg: Wir als Nordkurve12 e.V. blicken sehr zufrieden auf unsere Aktionen gegen das DFL-Konzeptpapier am vergangenen Samstag zurück. Mit einer geschlossene Leistung verschiedenster Teile der Fanszene haben wir auch medienwirksam ein echtes Zeichen für den Erhalt der Fankultur gesetzt. Das zeigte sich besonders deutlich an der Blocksperre zu Spielbeginn: Erfreulicherweise blieb nicht nur der C-Block, sondern auch Teile der umliegenden Blöcke leer. Der aufkommende Jubel im ganzen Stadion nach Ablauf dieser Zeit, bestätigt uns in der Annahme, dass dieser Protest bei allen Fans und sogar sonst eher gemäßigten Zuschauern großen Zuspruch findet und nicht, wie in den Medien gerne dargestellt, nur einen kleinen Kern anspricht.
Ehe wir unsere Protestwochen am Sonntag mit einer gemeinsamen Demo mit den Anhängern von Hannover 96 abrunden werden, möchten wir eine kleine Zwischenbilanz ziehen. Seit dem ersten Entwurf des DFL-Papiers sind nun bereits einige Wochen vergangen. Die ursprüngliche Version wurde seitdem, nach einem großen medialen Aufschrei, bereits zweimal verändert. Ein vereinsübergreifender Fangipfel in Berlin, sowie unzählige Stellungnahmen von Fans und Vereinen, haben offenbar für ein gewisses Umdenken auf Verbandsebene gesorgt. Spätestens mit dem Start der von verschiedenen Ultragruppierungen gestarteten bundesweiten Initiative „12doppelpunkt12 – Ohne Stimme keine Stimmung“ ist es offenbar gelungen, die DFL zu einer Reformierung ihrer Entwürfe zu zwingen.
Die aktuelle Version des Papiers „Sicheres Stadionerlebnis“ birgt bei weitem nicht mehr so viel Zündstoff wie die Vorgängerversionen. Einige der zur Abstimmung stehenden Punkte (über jeden Punkt wird separat abgestimmt) wurden abgeschwächt, gestrichen oder so verändert, dass den handelnden Vereinen ein großer Handlungsspielraum bei der Umsetzung dieser überlassen wird. Kurzum: Grundsätzlich werden im benannten Schriftstück hauptsächlich Ideen angeregt, die ohnehin schon Alltag in deutschen Stadien sind. Genau darin liegt eine große Chance – oder vielleicht doch eine Gefahr?
Um diese Frage zu diskutieren fand am vergangenen Freitag in Leverkusen ein Treffen von Vertretern der NK12, des Fanbeirats, der Ultras Leverkusen, des Fanprojekts, der Fanbetreuung und des Bayer 04-Geschäftsführers Wolfgang Holzhäuser statt. Wir bekamen dort die Möglichkeit, unsere Bedenken bezüglich des DFL-Sicherheitskonzepts zu äußern, erhielten aber ebenso einen Eindruck von den Denkweisen der Vereinsführung. Im Vordergrund stand dabei eine mögliche lokale Umsetzung der Inhalte des Konzeptpapieres. Besonders positiv nahmen wir in dem Zusammenhang zur Kenntnis, dass unsere Vereinsführung nach eigener Aussage nicht zu willkürlichen Kontrollmaßnahmen und Aktionismus greifen möchte. Eine solche verbindliche Aussage erwarten wir auch von anderen Vereinen, schließlich soll in Zukunft nicht jeder Gast unter Generalverdacht gestellt werden, sobald dieser sich den Einlasskontrollen nähert.
All das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass wir ein Konzeptpapier mit dem Titel ‘Sicheres Stadionerlebnis’ weiterhin für überflüssig halten. Der Stadionbesuch gleicht derzeit einem der wohl sichersten Großereignisse in Deutschland. Woche für Woche pilgern Hunderttausende in die Stadien, ohne sich dort in Gefahr fühlen zu müssen. Trotzdem wird von Seiten der Politik Druck gemacht, repressive Maßnahmen zu ergreifen. Der Fußball wird von Politikern als Wahlkampfthema missbraucht, die offenbar keinerlei Eindruck davon haben, wie Fußballfans ihre Wochenenden verbringen und was der Sport und die Fankultur für die bedeuten. Sollte es am 12.12. bei der Vollversammlung aller Vereine in Frankfurt nicht zu sportinternen Beschlüssen kommen, wird wohl die Politik mit harter Hand durchgreifen. Wir sollten deshalb alle darauf hoffen, dass die Vereine sich auf ein abgeschwächtes Sicherheitskonzept einigen und den politischen Hardlinern so den Wind aus den Segeln nehmen können. Gleichzeitig stehen die DFL und die Vereine in der Pflicht, öffentlich dem gezeichneten Bild der aktuellen Situation in den deutschen Stadien zu widersprechen. Dabei sind aber auch wir alle gefragt, uns lokal- und landespolitisch zu engagieren und so Aufklärungsarbeit auf institutioneller Ebene zu betreiben. Gleichzeitig sollten wir uns darum bemühen, Politikern keinerlei Angriffsfläche mehr für repressive Maßnahmen zu geben.
Wir appellieren also, wie auch schon in der gemeinsamen Abschlusserklärung des Fangipfels, an führende Politiker und Vertreter der Polizeigewerkschaft, die inhaltlich sachliche Diskussion zu suchen, statt effekthaschende Forderungen zu stellen. Auch die Vereine und Verbände sind gefragt, dem politischen Druck stand zu halten und sich gemeinsam mit ihrem Lebenselixier, den Fans, an einen Tisch zu setzen, um das Erlebnis Fußball nicht verkommen zu lassen. Last but not least richtet sich unser Schreiben aber auch an alle Fußballfans. Es liegt an uns allen, den oben genannten Gruppen keine Angriffsfläche zu bieten. Am Wochenende soll allen Interessierten noch ein letztes Mal gezeigt werden, wie unser Sport ohne aktive Fans in bunten Kurven aussehen würde. Zwölf Minuten und zwölf Sekunden, die noch einmal jedem klar machen sollten, dass ein solches Szenario keiner braucht. Nicht die Vereine, nicht die DFL – und vor allem nicht wir!