Lange ist es noch nicht her, dass in Leverkusen große Aufregung über Sicherheitskontrollen im Fußball herrschte. Durchgeführt beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt, veranlasst durch den Sicherheitsdienst von Bayer 04 Leverkusen. In separaten Zelten mussten sich weibliche Besucher verschärften Kontrollen unterziehen und dabei den Oberkörper bis auf den BH entblößen. Grund hierfür war die „Warnung“ eines Vaters aus der Frankfurter Fanszene an die Polizei, dass beim Spiel in Leverkusen gezündelt werden solle und für den Transport des Pyromaterials insbesondere weibliche Fans auserkoren werden sein sollten. Durch den Einsatz der Fanbeauftragten beider Vereine konnte jedoch erreicht werden, dass diese unsägliche Art der Kontrolle vorzeitig beendet wurde.
Gestern abend vor der Abfahrt des Entlastungszuges zum DFB-Pokalspiel nach Mönchengladbach wurde ein weiteres Kapitel im Umgang mit den Fans aufgeschlagen, welches wir als absolut inakzeptabel betrachten. Vor dem Bahnhof Leverkusen-Mitte erwartete die Fans ein enorm hohes Polizeiaufgebot, Zugangssperren bzw. Gitterwege, erneut ein Zelt sowie Sprengstoffspürhunde. Fans, bei denen diese anschlugen, mussten dann ins Zelt, um sich einer äußerst detaillierten Kontrolle zu unterziehen.
Nun ist die Frankfurter Fanszene nicht eben als handzahm im Umgang mit Pyrotechnik bekannt und auch auf der Tour der Leverkusener nach Hannover ist es aus der Menge der anreisenden Fans in der Tat zum Zünden von Pyrotechnik bzw. Böllern in der Menge gekommen, wobei auch andere gefährdet wurden, Mitreisende sowie völlig Unbeteiligte. Dass das gefährlicher Leichtsinn ist, der unterbunden werden muss, ist vollkommen klar. Auch wir als Nordkurve12 e.V. distanzieren uns ausdrücklich von derartigen Aktionen, die leichtsinnig und mutwillig andere gefährden.
Logische Schlussfolgerung solcher Vorkommnisse ist sicherlich auch, dass die Kontrollen verschärft werden und Maßnahmen getroffen werden, um die Gefährdung von anderen zu verhindern. Es muss aber die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Dies war bei beiden Vorkommnissen definitiv nicht der Fall. Beide Maßnahmen sind unserer Meinung nach deutlich zu weit gegangen. Der Fußballfan an sich wird mehr und mehr kriminalisiert und unter Generalverdacht gestellt. Taten von einzelnen Verrückten werden zum Anlaß genommen, martialische rigide Maßnahmen umzusetzen. Es scheint nur noch um Machtdemonstration zu gehen, zu zeigen, wer der Stärkere ist. Weniger um lösungsorientierte Auseinandersetzung miteinander, weniger um Dialog und Deeskalation, sondern einzig und allein um Demonstration der Stärke. Law und Order und sonst nichts. Stuttgart21 mit seiner unfassbaren Eskalation bei der Donnerstagsdemonstration lässt grüßen. Ist so etwas der nächste Schritt, den wir zu erwarten haben?
Das kann es nicht sein. In Sonntagsreden wird auch seitens der Polizei immer wieder beschworen, wie wichtig der Dialog ist, dass man miteinander reden muss, gemeinsam an Problemen arbeiten muss. Und vor Ort in Leverkusen erleben wir mit den szenekundigen Beamten und Fanbetreuung auch eine gute Zusammenarbeit. Was aber ist das wert, wenn von Seiten der Bundespolizei auf die gute Zusammenarbeit zwischen Verein, Fanbetreuung und Fans vor Ort gepfiffen wird? Wenn noch nicht mal der Verein und die Fanbetreuung über derartige Maßnahmen informiert werden? So schafft man nur Unverständnis und Ablehnung. Das ist kein Schritt aufeinander zu, das ist ein Schritt weg von den Fußballfans. Die Gefahr, dass hier auch Aggressivität wächst, ist definitiv gegeben. Man kann sich gelegentlich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies gewollt ist, nur um im Zweifel bei weiteren Vorkommnissen sagen zu können „wir haben es doch vorhergesagt“.
Ausdrücklich betonen möchten wir, dass sich die Kritik an den gestrigen Kontrollen gegen die Polizeiorgane richtet, die diese zu verantworten haben, nicht gegen Bayer 04 Leverkusen. Offenbar wurde der Verein hier nicht einbezogen. Es wächst der Eindruck, dass am grünen Tisch von Menschen Entscheidungen getroffen werden, die sich mit der Sache an sich so gut wie nicht auseinandersetzen. Wer das nämlich tut, stellt sehr wohl fest, dass innerhalb der Leverkusener Fanszene schon seit langem ein Umdenken eingesetzt hat, ein Prozess, der in die richtige Richtung geht. Man setzt sich dort mit den Problemen auseinander und packt sie an. Gemeinsam, im Dialog miteinander. Zu diesem Dialog ist die Leverkusener Fanszene auch weiterhin bereit. Dialog bedeutet aber, dass auch eine zweite Seite dazu bereit sein muss – und das nicht nur in Worten und Sonntagsreden, sondern auch in Taten!