Interview mit Rudi Völler
In loser Reihenfolge und ungezwungenem Rhythmus präsentieren wir euch wie gehabt den ein oder anderen interessanten Bericht als Auszug aus dem “NaktUL” hier in komplett öffentlicher Form zum Nachlesen. Dieses Mal steht unser Sportdirektor Rudi Völler Rede und Antwort.
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Herr Völler, schön, dass wir uns gerade nach dem erfolgreichen Derby zusammensetzen. Sie haben mal erwähnt, dass dieses Spiel nicht mit dem Derby in Rom zu vergleichen sei. Trotzdem war es sicher schön, mit einem solchen Sieg in die neue Woche zu gehen?
Ja, klar. Der Sieg als solcher ist natürlich das eine, aber die ganzen Rahmenbedingungen, die Atmosphäre, das volle Stadion weit vor Anpfiff, diese riesige Unterstützung beim Spiel. Das ist schon besonders. Ich habe ja immer die Zeit der Siebziger und Achtziger Jahre und auch den Anfang der Neunziger im Kopf, als man hier zu Hause gefühlt jede zweite Woche ein Auswärtsspiel hatte. Diese Zeiten haben sich definitiv geändert. Klar waren auch diesmal viele Kölner im Stadion, die man auch gehört hat. Trotzdem hat man hier auch selbst etwas zu bieten. Hier hat sich etwas entwickelt. Man hat einfach ein ganz anderes Gefühl im Stadion, als man es noch vor 20 Jahren hatte, als ich hier mit Bremen gespielt habe.
Sie feiern in diesem Jahr Dienstjubiläum, sind seit 20 Jahren beim Bayer, seit 10 Jahren am Stück Sportdirektor. Hätten sie jemals gedacht, dass Sie so lange hier bleiben?
Nein. Als das Angebot von Calli kam, war ich in Marseille und für mich war damals klar, dass ich wirklich nur noch für ein, zwei Jahre das Letzte aus meinem Körper rausquetschen und danach was anderes machen will. Ich hatte ein gutes Gefühl bei diesem Verein, aber dass sich das alles so entwickeln würde, das war so nicht zu erwarten.
Was waren in dieser Zeit die persönlichen Höhepunkte in der Farbenstadt?
Es gab vor mir und wird auch nach mir wahrscheinlich keine Person mehr geben, die wie ich als Spieler, Trainer und Sportdirektor – teilweise gleichzeitig – im Dienst des Vereins stand. Daher ist es einfach der Verein, das gesamte Gebilde.
Für mich war immer klar, dass es in bestimmten Situationen zwei, drei Vereine geben würde, bei denen ich schwach werde, um was anderes zu tun. Der AS Rom war so ein Verein, wo ich nach der Nationaltrainer-Geschichte, obwohl ich mich nicht topfit gefühlt habe, als Trainer zugesagt habe. Der andere ist natürlich Bayer Leverkusen. Mit Abstrichen galt das auch für Werder Bremen und die Kickers Offenbach. Aber inzwischen ist mir unser Verein einfach ans Herz gewachsen.
In Ihrer Leverkusener Zeit gab es auch turbulente Phasen. Vor allem die Posse um unseren damaligen Trainer Christoph Daum…
Natürlich war die Geschichte ein Skandal. Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass mit der Verpflichtung von Christoph Daum damals ein Ruck durch den Verein ging. Er hat diesem Verein auf positive Weise neues Leben eingehaucht. Das hat kein Thom, Kirsten oder Völler so geschafft.
Wo Sie nun so lange im Verein sind: Von Ihnen stammt die Aussage, dass man sich auf Reisen “dafür geschämt hat, das Bayer Logo zu tragen”…
Das ist natürlich übertrieben. Aber trotzdem war es so, dass wir bei Auswärtsspielen im Ausland eher dazu neigten, das Emblem auf den Anzügen zu verstecken als es zu präsentieren. Diese Zeiten sind vorbei. Wir sind ein absoluter Topclub geworden, der seit Jahren konstant oben mitspielt – leider ohne bisher Deutscher Meister geworden zu sein. Dadurch genießt man auch in Deutschland große Anerkennung.
Trotzdem wird unser Verein medial gerne als traditionsloser Werksclub verkauft.
Das ist auch lange nicht mehr so schlimm wie früher. Gerade mit der Werkself-Kampagne hat man aus einem Schimpfwort quasi etwas Positives gemacht. Man hat sich klar positioniert, dass der Verein und die Bayer AG eben zusammenhängen.
Auch andere Vereine leben von Investoren, teilweise werden Stadien anerkannter Traditionsclubs sogar von Steuergeldern finanziert. So etwas gibt es in Leverkusen nicht.
Genau, ich denke da selbst an die Initiative “Das Kreuz muss bleiben”, welche ja auch aus der Fanszene heraus kam. Die eigenen Fans haben für den Erhalt dieser Werbung gekämpft, weil sie Teil der lokalen Identität ist. Das war ein schönes Zeichen.
Früher haben wohl ausschließlich wirtschaftliche und sportliche Aspekte einen Spieler von einem Wechsel zu unserem Verein überzeugen können. Ist heute vielleicht auch ein Rudi Völler ein Bonuspunkt bei Verhandlungen?
Natürlich kann man sich selbst bei Gesprächen einbringen. Man darf aber nicht vergessen, welche hervorragende Arbeit hier in den letzten Jahren gemacht wurde. Ich bin da das lebende Beispiel: 1982 bin ich von 1860 München nach Bremen gewechselt. Auch damals hatte ich ein Angebot aus Leverkusen, aber das kam für mich zu dem Zeitpunkt nicht in Frage. Genau das hat sich jetzt geändert. Wir haben inzwischen einen solchen Ruf, dass junge und ambitionierte Spieler zu uns wechseln wollen und Bayer 04 Leverkusen anderen Vereinen vorziehen.
Und wie sieht es abseits des Transfermarkts aus? Ihr Gesicht verbindet man inzwischen auch mit dem Verein. Das Bayer-Kreuz tragen sie nach eigener Aussage im Herzen. Gibt es trotzdem das Verlangen weiterzuziehen?
Ich kenne hier im Verein einfach jeden. Dass es natürlich immer mal wieder Turbulenzen gibt, sei es bei umstrittenen Trainerwechseln oder auch bei Unzufriedenheit von Seiten der Fans, das gehört dazu. Auch der Wechsel von Hakan Calhanoglu war ja nicht unumstritten. Aber da bin ich mir sicher, dass er uns noch viel Freude bereiten wird, nicht nur mit seinen Freistößen. Wie es hier läuft, kann es gerne weitergehen.
Kritik stellen Sie sich bekanntlich…
Diese ist auch nicht immer unberechtigt. Aber natürlich setzt man sich, wenn etwas nicht läuft, zusammen.
Das haben Sie in Vergangenheit unter anderem im Fanbeirat gemacht. Wir werten das durchaus als großen Vorteil, dass der Draht zum Verein verhältnismäßig kurz ist. Gerne bekommt aber auch die Fanszene Feedback, positiv wie negativ.
Es läuft vieles richtig. Wir haben eine gute Stimmung zu Hause wie auswärts. Es gibt aber immer mal Spieler die besonders stark in der Kritik stehen. Diese muss ich dann auch mal in Schutz nehmen.
Trotzdem haben wir doch alle den Wunsch, irgendwann mal etwas in den Händen zu halten.
Ja, natürlich. Aber das wird bei euch wahrscheinlich auch realistisch gesehen. Im Moment geht in der Meisterschaft einfach nichts über die Bayern, auch international gibt es da viel Konkurrenz. Dafür haben wir die Chance im DFB-Pokal. Gerade nach der Pleite im letzten Jahr gegen Kaiserlautern müssen wir daran glauben, weit zu kommen. Und man darf nicht vergessen, dass ein Platz unter den ersten Vier in der Liga ebenfalls ein großer Erfolg und keine Selbstverständlichkeit wäre. Und auch in der Champions League möchten wir uns gut präsentieren. Ich habe ein gutes Gefühl, dass wir dieses Jahr in der nächsten Runde nicht so untergehen werden wie zuletzt.