12.12.2012 – Lange wurde auf dieses Datum hingefiebert, selten war ein Datum in ganz Fußballdeutschland für so wichtig erachtet worden. Es sollte der Tag werden, an dem Vereinsoffizielle der 36 deutschen Profiklubs das DFL Konzeptpapier “Sicheres Stadionerlebnis” verabschiedeten. Kein Wunder also, dass nach Wochen des Widerstands und der Proteste seitens der Fans, nun eine gewisse Enttäuschung zu verzeichnen ist. Jeder Stadionbesucher ist sich den hohen Sicherheitsstandards in deutschen Stadien ebenso bewusst, wie der daraus resultierenden Absurdität eines Konzeptes mit dem besagten Titel. Trotzdem besteht, wie ein kurzer Rückblick auf die letzten Wochen zeigen wird, kein Grund für Aktionismus und Resignation. Im Gegenteil: die letzten Wochen, welche unter dem Motto 12doppelpunkt12 unseren Alltag bestimmten, konnten eindrucksvoll zeigen, wie wichtig eine lebendige Fankultur für den Fußball ist.
Nachdem Anfang Oktober eine erste Version des thematisierten Konzeptpapiers an die Öffentlichkeit gelangte, war der Aufschrei in ganz Fußballdeutschland groß. Diversen Stellungnahmen und Protesten folgte ein Fangipfel in Berlin, bei dem sich Fanvertreter aller deutschen Fanszenen zum Austausch trafen. Dabei wurde nicht nur das “Sichere Stadionerlebnis” inhaltlich durchgearbeitet, auch die handelnden Akteure aus Politik, Polizei und Verbänden wurden aufgefordert, den Dialog zur deutschen Fangemeinde zu suchen. Parallel dazu trafen sich nur wenige Kilometer entfernt, Vertreter fast aller bedeutenden deutschen Ultra’ Szenen. Bei diesem Zusammentreffen wurde die Initiative 12doppelpunkt12 ins Leben gerufen. Ein gemeinsamer Schritt, um mit einer Stimme zu zeigen: Ohne Stimme – Keine Stimmung!
Untermalt wurde dieser Protest von vier Aktionsspieltagen, drei davon beinhalteten einen 12 Minuten und 12 Sekunden andauernden Stimmungsboykott. Doch während die aktiven Fanszenen ihre Proteste planten, wurde auch auf Verbands- und Vereinsebene am Konzeptpapier gearbeitet. Die ursprüngliche Version wurde mehrfach überarbeitet, viele kritisierte Punkte verschwanden oder wurden so umformuliert, dass sie keine konkreten Veränderungen zur gegenwärtigen Situation mehr bedeuteten. Durch den politischen und medialen Druck, der offensichtlich Vereins – und Verbandsverantwortliche beeinflusste, wurde eine geplante Abstimmung über das Pamphlet am 12.12. allerdings nicht von der Agenda genommen. Dabei setzten die ersten Aktionstage in den deutschen Stadien ein deutliches Ausrufezeichen. Stille Tribünen sorgten nicht nur für gespenstische Stille im weiten Rund, sondern erregten auch die Aufmerksamkeit aller daheimsitzenden Fußballfans. Ob am TV, im Radio, im Internet oder aber durch die Printmedien: An den Protestaktionen führte in der Informationswelt der letzten Wochen kein Weg vorbei.
Schnell wurde deutlich, dass sich eigentlich niemand solche Verhältnisse in deutschen Stadien wünscht, schließlich stellt die gute Atmosphäre einen erheblichen Teil des Stadionerlebnisses dar.
Doch wir blicken nicht nur auf bundesweite Aktionen zurück. Speziell in Leverkusen können wir über ereignisreiche letzte Wochen reden. Nachdem der Informationsspieltag in Sinsheim und der Supportboykott in Bremen einen gelungenen Auftakt in die Protestwochen darstellten, wollten wir in unserer Heimat den nächsten Schritt gehen. Ein Demonstrationsmarsch mit rund 700 Teilnehmern, sowie eine 12 Minuten und 12 Sekunden andauernde Blocksperre, im Rahmen unseres Nürnberg Heimspiels, fand nicht nur in der Fanszene großen Zuspruch, vielmehr solidarisierte sich das ganze Stadion mit den Protesten und das egal ob Hintertor- oder Haupttribüne. Insbesondere der reibungslose Ablauf solcher Aktionen sorgt dafür, dass in Leverkusen eine große Dialogbereitschaft aller Beteiligten vorzufinden ist. So fand zwischen den Aktionstagen ein Treffen mehrerer Fanvertreter mit Wolfgang Holzhäuser statt, der einen Gedankenaustausch zum besagten Konzeptpapier als Thema hatte. Die Gesprächsinhalte gaben uns allen Anlass zur Hoffnung, dass zumindest in Leverkusen keine einschneidenden Veränderungen für Fans zu befürchten seien. Reaktionäres und willkürliches Handeln wird auch von Vereinsseite strikt abgelehnt. Wir vertrauen unserer Vereinsführung, erwarten ähnliche Aussagen allerdings auch aus den anderen Stadien der Republik. Doch ehe der 12.12. anbrach, hatten wir noch ein Auswärtsspiel in Hannover zu bestreiten. Dazu trafen sich die mitgereisten Leverkusener mit Fans der Hannoveraner Szene zu einer weiteren gemeinsamen Demonstration. Auch diese Aktion mit gut 1.000 Teilnehmern, verlief friedlich und kann als Erfolg gewertet werden.
Dass nun, trotz des großen Widerstandes der deutschen Fußballfans, ein Konzeptpapier verabschiedet wurde, welches unnötig und uninnovativ zugleich ist, setzt bei allen Fans eine gewisse Unzufriedenheit frei. Allerdings musste man mit diesem Ergebnis rechnen. Trotzdem war 12doppelpunkt12 kein vergeblicher Protest: Erst durch den Widerstand wurden einzelne Paragraphen überarbeitet. Die Umsetzung dieser liegt nun ebenfalls in der Macht der einzelnen Vereine. Und eben solche haben durch die bundesweiten Proteste einen Eindruck davon bekommen, was sie zu erwarten hätten, sofern sie das verabschiedete Sicherheitspamphlet in ihren Inhalten ausreizen würden. Wir fordern daher noch einmal alle Vereine zu einem äußerst verantwortungsvollen Umgang mit den verabschiedeten Regularien auf! Wir werden nicht müde, immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass in keinem Fall die Falschen, nämlich die friedlichen und vorbildlichen Fußballfans, in irgendeiner Weise mit Kollektivstrafen und Sippenhaft belegt werden dürfen und werden die Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten penibelst beobachten! Wir bitten aber auch alle Fans besonnen und sachlich, auf die Entscheidung zu reagieren. Jegliche unsachlichen Ausschweifungen wären Wasser auf die Mühlen derer, die für die Umsetzung des Sicherheitspapiers gesorgt haben. Deutliche Kritik müssen sich demnach einige Herrschaften gefallen lassen, diese muss aber unter allen Umständen ebenso sachlich bleiben, wie wir es über die vergangenen Wochen praktiziert haben.
Wir alle haben in den letzten Wochen gezeigt, dass wir als Fans mit einer Stimme sprechen. Vereine, Verbände, aber auch Politiker und Polizeisprecher sind also gut beraten, die Stimme der Fans ernst zu nehmen. Denn auch wenn wir unterschiedliche Farben tragen, so sind wir immernoch vereint in der Sache.