Wir berichteten vor einigen Tagen bereits über die fanpolitischen Aktivitäten von NK12 und UL in der Winterpause. Dazu gehörte unter anderem die Teilnahme am “ProFans”-Treffen in Bielefeld. Die Organisation ProFans, in der zahlreiche Ultràgruppen organisiert sind, stand im großen Winterinterview von Faszination Fankurve Rede und Antwort. Hierbei geht es um das derzeit stark diskutierte Thema der DFB-Strafen, aber auch um Anstoßzeiten, erlaubte Fanutensilien und den Dialog mit DFB und DFL.
Faszination Fankurve: Der letzte Fankongress in Berlin liegt jetzt etwas über ein Jahr zurück. Was hat sich seitdem für aktive Fans in deutschen Stadion verändert?
ProFans: Wenn wir jetzt sagen würden, dass die Signale der Verbände und Vereine nach dem Fankongress klar in Richtung Dialog gingen und sich dieser mehr auf Augenhöhe justieren lasse, wäre es nur eine Wiederholung einiger unserer Aussagen nach dem ersten Fankongress. Gerade an dem Thema Verbandsstrafen reibt man sich mittlerweile auf, und man wird wohl bald wieder an einem Punkt ankommen, an dem der Dialog in diesem Zusammenhang auf den Prüfstand gestellt wird. Die Tatsache, dass Fußballfans in der öffentlichen Diskussion immer noch als eine Gefahr wahrgenommen werden, Gewerkschaftsfunktionäre, Politdemagogen und Hardliner unter den Funktionären ein größeres Gehör erhalten als Fanorganisationen und es dementsprechend immer wieder zu unverhältnismäßigen Maßnahmen gegen ganze Fangemeinschaften kommt, macht die Sache natürlich nicht einfacher.
Faszination Fankurve: Zu Saisonbeginn habt ihr euch dem Thema Anstoßzeiten verstärkt angenommen. Wie fällt euer Fazit aus?
ProFans: Wir haben das Thema wieder in die öffentliche Diskussion gebracht und waren ein Stachel für das Gemüt der DFL. Die Einführung des „SAM“ (SpielAnsetzungsMonster) war wichtig. Auf diese Weise gibt es von uns einen monatlichen Überblick auf die konkreten fanunfreundlichen Ansetzungen. Außerdem können die betroffenen Fanszenen mit dieser Vorlage selbst aktiv werden und protestieren. Das wurde von den bisherigen Gewinnern auch getan. Für uns war es ein guter Erfolg, dass sich mit Ingo Schiller (Hertha BSC) und Klaus Hofmann (FC Augsburg) zwei führende Vereinsvertreter unseren Forderungen angeschlossen haben. Es wäre klasse, wenn noch mehr Vereinsvertreter in der Rückrunde den SAM-Gewinn für eine öffentliche Unterstützung nutzen würden. Denn, machen wir uns nichts vor: Die Worte der Vereine haben bei der DFL ein vielfach höheres Gewicht, als die der Fans. So traurig das auch ist. Ein Schulterschluss zwischen Vereinen und Fans könnte in dieser Sache sehr wirksam sein. Wenn z.B. die Zweitliga-Vereine ein einheitliches Votum gegen das Montagsspiel abgeben würden, wäre das Ding doch erledigt.
Faszination Fankurve: Ist die Einführung einer von euch geforderten 300-km-Regel überhaupt realistisch, solange Vereine mit einer Randlage, wie Augsburg, Berlin, München, Hamburg und Freiburg in der 1. und 2. Bundesliga spielen?
ProFans: Die Regel ist bei der aktuellen Spieltagsaufteilung nicht immer möglich. Wir fordern aber, dass sie generell bei der Festlegung eines Spieltags überhaupt als wichtiges Faninteresse ernst genommen wird. Es fehlt uns einfach zu oft die Phantasie, noch zu verstehen, warum die Regel nicht wenigstens angestrebt wird. Vermutlich war die 300-km-Regel selten ein wichtiges Argument für eine Spielansetzung. Wir wissen, dass es viele Anliegen der verschiedenen Beteiligten gibt. Bislang ist unser Interesse dabei deutlich untergeordnet. Das gibt auch Herr Rettig offen zu. Die Integrität des Spielbetriebs, die Polizeimeinung, die Interessen der Vereine und die Vermarktung stehen vor den Interessen der Fans.
Im Moment sieht die Situation ein wenig besser aus, als zu Beginn der Saison. Die DFL ist direkt auf uns zugekommen und versucht wenigstens kleine Verbesserungen für Fans zu erreichen. Es ist uns aber klar, dass auch wieder miese Spieltage kommen werden. Wir sehen das schon realistisch. Und daher kann die Debatte um die 300-km-Regel zu Ende gedacht auch nur eine logische Konsequenz haben: Die Spieltagszerstückelung muss Schritt für Schritt rückgängig gemacht werden. Das gilt vor allem auch für die 2. Liga. Gäbe es nur Spielansetzungen am Sonnabend und Sonntag zu vernünftigen Anstoßzeiten, dann wäre es verkraftbar, wenn die 300-km-Regel nicht eingehalten würde. Dass in Deutschland Fußballfans „von der Elbe bis zur Isar“ und noch weiter reisen, kritisieren wir ja nicht grundsätzlich, hat es doch für viele sogar einen besonderen Reiz.
Faszination Fankurve: Wäre es an dieser Stelle nicht mal an der Zeit, die DFL für ihre frühzeitige exakte Terminierung der Bundesligaspiele zu loben?
ProFans: Ja klar, das haben wir auch intern an die DFL kommuniziert und auch öffentlich gegenüber der Presse geäußert. Auswärtsfahrten können so eher und besser geplant werden. Das ist ein sehr wichtiger Erfolg für uns Fans. Wir wollen hoffen, dass die genauen Spielterminierungen weiterhin so früh wie möglich bekannt gegeben werden.
Faszination Fankurve: Beim Thema Fanutensilien konntet ihr zuletzt einen Erfolg vermelden, als der DFB ein Schreiben an die Vereine schickte und um generelle Freigabe von bestimmten Fanutensilien bat. Anschließend habt ihr im Interview mit Faszination Fankurve jedoch wieder euren Unmut über den DFB geäußert. Wie steht es um das Thema aktuell?
ProFans: Offenbar gab es unterschiedliche Interpretationen des Schreibens. Wir haben direkte Gespräche mit Herrn Große Lefert (Sicherheitsbeauftragter des DFB) geführt und die Sache halbwegs ausgeräumt. Das Empfehlungsschreiben, das wir in der AG Fanbelange & Fanarbeit erstellt haben, bleibt aktuell und gilt offiziell als vom DFB empfohlen. Das Schreiben wurde zuletzt auch dem Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS) vorgelegt. Der DFB befragt die Vereine derzeit, wie das Schreiben an den verschiedenen Standorten umgesetzt wird. Für uns als ProFans wäre es wichtig, noch mehr konkrete Rückmeldungen aus den Fanszenen zu erhalten. Möglicherweise unterscheiden sich die Sichtweise der Vereine und der Fans nämlich nicht unerheblich. Wir können die Rückmeldungen dann konkret mit nach Frankfurt nehmen und besondere Fälle auch öffentlich thematisieren.
Faszination Fankurve: Immer wieder sind DFB-Strafen wegen Fanfehlverhalten Thema in der Fanszene. Wie beurteilt ihr das Strafensystem vom DFB?
ProFans: Wenn in der Strafgerichtsbarkeit des DFB im Zusammenhang mit Fanfehlverhalten eine Systematik erkennbar wäre, könnten wir vielleicht eine sachliche Beurteilung dazu abgeben. So wie sich dieses Thema in der letzten Zeit allerdings entwickelt hat, können wir das Machtspiel des DFB einfach nur noch ablehnen. Die Sanktionen vom DFB sind nicht nachvollziehbar und stehen zwar schon seit Jahren, aber erst recht in den letzten Monaten, in keinem Verhältnis zu den Geschehnissen. Welches Gericht verhängt eine Strafe über 50.000 Euro aufgrund eines Becherwurfs, der weder zur Sachbeschädigung noch Körperverletzung geführt hat? Warum werden Erfurter Fans bestraft, wenn Dresdner Fans angebliches Fehlverhalten an den Tag gelegt haben? Warum wird ein Verein wegen einer (von der Stadt zudem genehmigten) Pyrotechnikaktion anlässlich einer Veranstaltung bestraft, die nichts mit dem DFB zu tun hatte? Diese Fragen sind nur die Spitze eines Eisbergs, der sich mittlerweile zum Thema Sportgerichtsbarkeit der Verbände angehäuft hat. Unserer Meinung nach versucht der DFB mit derartigen Strafen die Fankurven in „gute“ und „böse“ aufzuspalten. Ganz abgesehen davon, dass man hier keine präventive Arbeit leistet, sondern sich nur als Gewinner innerhalb eines Machtspiels sehen möchte, sorgt man für weitere Konflikte und Diskussionen in den Fangemeinschaften. Gerade am Thema Pyrotechnik scheiden sich nun mal die Geister in den Kurven und dies macht sich der DFB mit seinem längeren Hebel in der letzten Zeit extrem zum Nutzen. All denen, die uns schon seit Jahren in den Ohren liegen, dass Dialog mit den Verbänden absolut sinnlos sei, gibt der DFB damit um ein weiteres Mal Recht. Nicht selten vernimmt man in den Diskussionen innerhalb der Fanszenen zu diesem Thema, wie stur und belehrungsresistent doch die Pyrobefürworter seien. Das gleiche können wir in diesem Zusammenhang vom DFB behaupten.
Faszination Fankurve: Was wären konkrete Verbesserungsvorschläge am aktuellen DFB-Strafensystem von eurer Seite?
ProFans: Kurz gesagt, in die Fangeschehnisse im Rahmen eines Fußballspiels nur dann sanktionierend einzuwirken, wenn es wirklich erforderlich ist, und dies nachvollziehbar wie transparent zu begründen. Allerdings sollte der Begriff der Erforderlichkeit dabei eine klare Definition erhalten, die nicht nur den DFB, sondern beide Seiten befriedigt. Außerdem sollten nicht nur in Sachen Strafgerichtsbarkeit, sondern auch bei den Regressforderungen neutrale juristische Positionen eine Rolle spielen. Es kann nicht sein, dass Fußballfans unter einem eigens für sie von privatrechtlichen Verbänden und Vereinen ersonnenen Strafrecht stehen. (Faszination Fankurve, 29.01.2015)